Coaching für Führungskräfte   

© Wilhelm Gerl

Wenn Führungskräfte unter Druck stehen, steigt ihr Bedürfnis nach Coaching. Je höher die Führungsetage, umso dünner wird die Luft und umso mehr ist man allein mit sich und den zu treffenden Entscheidungen. Hier ist es riskant, Unsicherheit zu zeigen. Ein Zeit konsumierendes, differenziertes Abwägen kann einem leicht als Entscheidungsschwäche ausgelegt werden. Ob man Fragen stellt, und wem, das überlegt man sich in Zeiten angespannter Konkurrenz.

Offenheit und Lernbereitschaft werden zwar gefordert, können aber auch als mangelndes Überzeugtsein von der eigenen Kompetenz gedeutet werden. Und wer sich gar einem Kollegen oder Untergebenen anvertraut, der riskiert, dass diese Informationen gegen ihn benutzt werden. Keiner will aber einem aufstiegsorientierten, karrierebewussten Mitarbeiter ein Mittel in die Hand geben, mit dem an seinem eigenen Stuhl gesägt werden kann.

Ob man es sich zugesteht oder nicht: Jeder, der in einer relevanten Führungsposition verantwortlich handelt, braucht bisweilen jemanden, mit dem er drängende Fragen besprechen und Unsicherheiten klären kann. „Denn wenn es darum geht, die richtigen Entscheidungen zu treffen, hilft es, einen zwischenmenschlichen Rahmen zu haben, in dem die freie Reflexion der Situation, die Anregung neuer Sichtweisen, die Korrektur starrer Muster und die Entwicklung kreativer Lösungen möglich ist.“ (Gerl, 1997).

Solche Gesprächspartnerschaft kommt insbesondere den Bedürfnissen der „einsamen Entscheider“ entgegen. Denn je verantwortungsvoller die Position ist, umso größer ist in der Regel der Entscheidungsstress und der Bedarf an rückversichernder Beratung. Deshalb wird von zunehmend mehr Spitzenkräften der Wirtschaft und Politik die Hilfestellung eines Coachs in Anspruch genommen. Sie kostet relativ wenig, kann einem aber einiges ersparen und bringt manchmal eine Menge.

Es wird immer mehr erkannt, dass auch „Einzelkämpfer“ sich besser eines Trainers und Trainingspartners bedienen, mit dem sie Dinge vorher durchspielen und nachher besprechen können. Immer mehr Führungskräfte stehen dazu, dass sie ab und an oder regelmäßig einen Coach konsultieren. Es gibt mittlerweile auch in Deutschland Firmen, die Coaching als unterstützende Maßnahme für leitende Mitarbeiter obligat machen. Damit der Coach seine Funktion aber wirklich ausüben kann, muss er neutral und diskret sein. Der Coachee (Kunde) muss sich sicher sein können, dass sein Coach kein verlängerter Arm einer übergeordneten Instanz, sondern nur ihm verpflichtet ist.

Die Erwartungen an einen Coach sind recht unterschiedlich. Während der eine Kunde einfach jemanden haben will, mit dem er offen reden kann, erhofft sich der andere Denkimpulse und neue Perspektiven. Häufig auch werden konkrete Tipps erwartet, wie ein komplexes Problem möglichst schnell zu lösen sei. Nur relativ wenige verbinden von Anfang an Coaching mit der Idee eines prozesshaften Lernens. Die Bereitschaft dazu wächst meist mit der gemachten Erfahrung. Zumindest in der Riege der obersten Führungskräfte hat sie sich in den letzten Jahren verbreitert.

Auch die Ansprüche an die Qualität des Coaching sind gestiegen. Vertrautheit mit betriebswirtschaftlichem Denken und eine gute Gesprächsführungstechnik allein reichen nicht mehr aus. Auch der redegewandte „charismatische“ Selbstdarsteller mit Menschenkenntnis und fixer Auffassungsgabe hat heute schnell sein Pulver verschossen. Es wird vom Coach erwartet, dass seine Interaktion mit der Führungskraft erkennbar zu konstruktiven Entwicklungen und erfreulichen Ergebnissen führt – gerade auch in Zeiten wirtschaftlicher Depression und persönlicher Stagnation. Einem unter Druck geratenen Entscheidungsträger reicht das kurzzeitige Durchbrechen seiner „Einsamkeit an der Spitze“ und die emotionale Entlastung im „Sich-verstanden-Fühlen“ nicht. Und „positives Denken“ ist sowieso out.

Der Manager erwartet zu Recht einen erkennbaren Kompetenzzuwachs bei der Beurteilung anderer Menschen und bei der Einschätzung verschiedenster Situationen seiner Tätigkeit. Er benötigt zusätzliche Strategien für sein Navigieren und Handeln in komplexen Systemen. Und er möchte, dass diese Strategien für ihn und seine Situation möglichst maßgeschneidert sind. Auch sollen sie von ihm selbst beurteilt und geändert werden können.

Wie aber kann ein Coach diesen Anforderungen gerecht werden? Wie ist das möglich, obwohl er weniger Informationen über die Situation seines Kunden besitzt als dieser selbst? Der Coach benötigt selbstverständlich eine ausreichenden Kenntnis der grundlegenden Zusammenhänge und aktuellen Entwicklungen im betreffenden Feld (Wirtschaft, Firma, Politik, Gruppierungen). Hinzu kommt eine hoch entwickelte kommunikative Kompetenz, die sich auch in schwierigen Situationen erweist. Er muss in der Lage sein, die Motive und die Ziele des Kunden genau zu erfassen und dabei erkennbare Konflikte präzise zu beschreiben. Um die Struktur des Problems analysieren und geeignete Lösungsschritte initiieren zu können, benötigt der Coach eine passende Theorie (Heuristik, Epistemologie) und ein pragmatisch-zielgerichtetes Denken. Ebenso werden Transfer-Techniken benötigt, mit denen die Ergebnisse des Coaching in die Anwendungssituation übertragen werden.

Beim Coaching ist der Kunde der Experte für die Inhalte, während der Berater der Experte für den Prozess ist. Er wirkt darauf ein, wie mit den Inhalten umgegangen wird (Gerl, 1981). Dazu benötigt er zutreffende Annahmen bezüglich der Art der jeweiligen Organisation und der Regeln, nach denen sie funktioniert. Zum Beispiel ergeben sich automatisch neue Möglichkeiten, wenn ein Staatsgebilde, ein Wirtschaftssystem, die Firma, die Familie oder der eigene Organismus nicht als ein Apparat, sondern als ein lebendiges System betrachtet wird. Das nun erlaubt, bisher „selbstverständliche“ Prämissen und Handlungsmuster zu hinterfragen. Diese oftmals unüberprüften Vorannahmen und die auf ihnen gründenden Verhaltensweisen haben häufig der systemischen Natur und Dynamik der betreffenden Organisation nicht Rechnung getragen.

Unter Stress und in Grenzbereichen („wenn es darauf ankommt“), können durchaus bewährte Denk- und Verhaltensweisen, die für die alltäglichen Situationen ausreichten, zu dysfunktionalen Lösungsbemühungen und in einen Teufelskreis führen. Sie fördern dann paradoxerweise gerade das Gegenteil dessen, was man mit ihnen bezweckt. Man hat es in so einem Fall nicht nur mit einer schwierigen Aufgabe zu tun, sondern mit einem Problem im engeren Sinne („Problem zweiter Ordnung“, Watzlawick et al., 1974). Die Person bewegt sich dann, bedingt durch ihren Denkrahmen, in einem circulus vitiosus. Dieser wird durch ihre Annahmen über das Problem konstituiert und dann gerade durch die Lösungsversuche, die ihr so logisch erscheinen, aufrecht erhalten.

    „Im Unterschied zu einer Schwierigkeit des Lebens wird ein Problem von der Person konstituiert und aufrechterhalten durch die spezifische Art, wie sie wahrnimmt, wie sie über sich, die Welt und das Problem denkt und auf dieser Basis handelt. „Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Ansichten, die wir von den Dingen haben”, sagte schon Epiktet. Dementsprechend hat psychologische Beratung nicht Probleme in Bezug auf die „Wirklichkeit erster Ordnung” (also die Schwierigkeiten des Lebens; Watzlawick 1978, S. 142 ff) zu lösen, sondern zielt auf den kognitiven Bezugsrahmen, auf die „Wirklichkeit zweiter Ordnung”. Dieses Gefüge der Annahmen über uns und die Welt determiniert die Bedeutungen, den Sinn und den Wert, die wir den Inhalten der Wahrnehmung zuschreiben. Der Denkrahmen umgrenzt die in ihm denkbaren Bedeutungen und begrenzt die Möglichkeiten der Erfahrung.“ (Gerl, 2000).

Albert Einstein sagte: „Ein Problem kann man nicht mit der Art des Denkens lösen, die es geschaffen hat“, und Albert Schweitzer formulierte metaphorisch: „Der Vogel kann den Käfig, in dem er sitzt, nicht von außen betrachten.“ Entscheider und Problemlöser sollten deshalb über die immanente Begrenztheit von Sprache und Logik Bescheid wissen und mit den durch sie erzeugten Paradoxien vertraut sein.

    Ludwig Wittgenstein, der Erkenntnistheoretiker, sagte in seinen Bemerkungen über die Grundlagen der Mathematik, dass die Tatsache, dass etwas als Paradox erscheint, immer etwas mit seinem Kontext zu tun habe. Wittgensteins Hinweis, wie man das Paradox auflösen könne, macht ihn zu einem der geistigen Väter des Reframing (dem Entdecken neuer Bedeutungen durch das Verändern des kognitiven Bezugsrahmen; Anm. des Autors): „Das Paradoxe ist paradox nur in einer gewissen, gleichsam mangelhaften Umgebung. Man muss diese Umgebung so ergänzen, dass das, was paradox schien, nicht länger so erscheint” (Wittgenstein, 1974, zit.Gerl, 2000).

Verlust-Spiele werden schneller beendet, Auswege aus verfahrenen Situationen und kreative Lösungen werden leichter gefunden, wenn bisher ungenutztes Wissen und unübliche Denkweisen zum Einsatz kommen. Voraussetzung für einen solchen kreativen Lernprozess ist das Auflockern und zeitweilige Suspendieren bisher benutzter Denkmuster bei gleichzeitiger Aktivierung von bisher unterrepräsentiertem Wissen. Man könnte auch sagen, dass eine eher einseitige Herangehensweise an das Problem erweitert wird durch die bisher vernachlässigten Möglichkeiten der anderen, mehr intuitiven Seite des Wissens. Oder, wenn wir die Funktionen unseres Zentralorgans bedenken: Das Gehirn wird veranlasst, seine beiden Hirnhälften, die unterschiedlich spezialisiert sind, besser zusammen arbeiten zu lassen.

Für eine Steigerung der Problemlösekompetenz durch die Lockerung und Flexibilisierung des Denkens sprechen unter anderem folgende Tatsachen:

    „Es lässt sich nur im Hinblick auf den betreffenden Kontext sagen, ob ein Gedanke sinnvoll, ein Verhalten zielführend ist. Die Reaktionen, die ein Handeln in diesem Rahmen (in diesem Zusammenhang, der räumlich-zeitlich und sozial definiert ist) auslöst, qualifizieren es als wirkungsvoll. Der Kontext bestimmt also, was als richtig gilt: Jene Konzepte und Verhaltensweisen gelten als richtig und passend, mit denen die angestrebten Effekte hervorgerufen und die betreffenden Ziele erreicht werden. Was Erfolg ist und was zu ihm führt, kann also nur in Bezug auf den betreffenden Kontext beantwortet werden. Wenn ein Denken und das von ihm initiierte Handeln zu Verlust und Leid führen, ist deshalb zu prüfen: Welche andere Sicht der Situation, welche andere Bewertung eines Verhaltens eignet sich besser, um das angestrebte Ergebnis zu erreichen?“ (Gerl, 2000).

Für mehr Problemlösekompetenz durch eine adäquatere Nutzung des eigenen Gehirns sprechen vielfältige Erfahrungen und Forschungsergebnisse. Auf deren Basis wird zum Beispiel allgemein anerkannt, dass der Prozess des Findens ein anderer ist, als der des Suchens. Ebenfalls lässt es sich hirnphysiologisch belegen, dass einen der „Kuss der Muse“ nicht beim analytischen Überlegen oder beim schlussfolgernden Hochrechnen von Daten erreicht. Wenn wir hingegen das bisher Gedachte loslassen und das, was uns begegnet, einfach betrachten, tut sich das Gehirn deutlich leichter, uns eine kreative Idee einfallen zu lassen. Erfindungen und andere schöpferische Akte sind mehr oder weniger veränderten Bewusstseinszuständen zu verdanken, nicht zuletzt dem Traum und der kreativen meditativen Pause.

Die Methode, die diese Erkenntnisse in eine bewährte Systematik gebracht hat und bereits seit Jahrtausenden nutzt, ist die Hypnose. Sie ist die älteste Methode der Menschheit, die sich mentaler Techniken bedient, um leib-seelische Prozesse zu beeinflussen, Angst abzubauen und Kreativität zu fördern. Sie ermöglicht Erfahrungen und Leistungen, die mit den Mitteln des üblichen Denkens nicht erreichbar sind. Entsprechend dem Weltbild früherer Epochen wurden zur Erklärung von  Hypnose und Trance zunächst göttliche und kosmische Wirkkräfte angeführt.

Mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften kam es zu Neuinterpretationen der Hypnose, und schließlich setzte sich die psychologische Sichtweise durch. Denn es stellte sich heraus, dass die Basis und die entscheidenden Wirkkräfte der Hypnose dem Menschen selbst immanent sind. Die eigenen geistig-seelischen und physiologischen Funktionen sind die Grundlage der Phänomene, die in Trancezuständen entwickelt und auch außerhalb der Hypnose genutzt werden können.

Man kann sich fragen: Wenn es eigene, bisher kaum zum Einsatz gekommene Fähigkeiten sind, die mir neue Möglichkeiten bieten, benötige ich dann überhaupt eine andere Person als Geburtshelfer dieser Ideen? Kann ich dann nicht mein eigener Coach sein? Dieser Schluss ist prinzipiell richtig. Aber erst dann, wenn ich gelernt habe, diese meine Fähigkeiten richtig einzusetzen, bekommt die Selbsthypnose die konstruktive Wirkkraft einer kreativen Lernerfahrung, sowie die nötige Prozesssicherheit. Andernfalls könnte es zu Ergebnissen kommen, wie Goethe sie in seiner Ballade vom Zauberlehrling eindrucksvoll beschrieben hat (Lehrling: „Herr, die Not ist groß! Die Geister, die ich rief, ich werd sie nicht mehr los!“).

Was liegt also näher, als sich für die Entwicklung und die bedarfsgerechte Bündelung der eigenen Hypnosefähigkeiten einen HypnoCoach zu nehmen. Dieser erfüllt in der Regel beide Funktionen: die des kompetenten Coachs und die eines persönlichen Hypnoselehrers. Mit ihm kann die Führungskraft lernen, wie sie sich mit ihrem Unbewussten, der Führungskraft in ihr selbst, in Verbindung setzt. Dieses umfangreiche, im Organismus gespeicherte und ständig aktive Wissen umfasst weitaus mehr, als wir denken. Es arbeitet auch dann, wenn mein Ich, und damit auch der Intellekt, schläft. Es gewährleistet die organismische Selbstorganisation, die Selbstorganisation des Gehirns und unsere Fähigkeit, adaptiv zu lernen. „Solange du lebst, lernst du – und solange du lernst, lebst du!“

In der Hypnose sprechen wir vom „Unbewussten“ als der lebenserhaltenden Organisation unseres Wissens auf allen Ebenen. Dieses Unbewusste ist sozusagen unser stärkster Verbündeter und der „Dritte im Bunde“, mit dem der HypnoCoach und sein Kunde zusammenarbeiten. In dieser Kooperation kommen persönlich stimmige und befriedigende Lösungen zustande, die systemverträglich sind und mehr Optionen schaffen.

Hinweis: Aus Gründen der Einfachheit und besseren Lesbarkeit, wurde im Text nur das Maskulinum („der Coach“) benutzt. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es zahlreiche, hervorragende Arbeit leistende Beraterinnen von Führungskräften gibt.

Zitierte Literatur:
Gerl, W. (1981). Zum Aspekt der Lenkung in der psychotherapeutischen Kommunikation. GwG-Info, (44).
Gerl, W. (1997). Hypnocoaching. Selbsthypnose und Eigensupervision in der Naturheilpraxis. Naturheilpraxis, 04/97.
Gerl, W. (2000). Reframing. In: D. Revenstorf & B. Peter (Hrsg.). Hypnose in Psychotherapie, Medizin und Psychosomatik:
                             Ein Manual für die Praxis.
Heidelberg: Springer.
Watzlawick, P., Weakland, J. H., Fisch, R. (1974). Lösungen: Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels. Bern: Huber.
Watzlawick, P. (1978). Wie wirklich ist die Wirklichkeit? München: Piper.
 

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